Zugversuch: Ein Praxisbeispiel
Die Ulme auf dem Areal des Schulhaus Rosenegg ist wahrscheinlich einer der ältesten, sicher aber einer der bekanntesten Bäume Kreuzlingens. Sie beeindruckt mit ihren imposanten Ausmassen, obwohl sie aus Sicherheitsgründen in der Vergangenheit bereits deutlich eingekürzt werden musste.
Symptome
Bereits seit vielen Jahren wird die Ulme regelmässig untersucht und gepflegt, unter anderem auch durch die Baumart AG. Faulstellen und Hohlräume im Stammfussbereich sind schon länger bekannt, und ein Pilzbefall führte vor einiger Zeit zum Ausbruch eines Starkastes. Dennoch wirkt die Ulme, auch trotz ihres stolzen Alters, vital und scheint nicht vom gefürchteten Ulmensterben befallen. Diese Gefässkrankheit wird durch einen Schlauchpilz verursacht, der den Wassertransport in den Bäumen blockiert und diese so innerhalb kurzer Zeit absterben lassen kann. Seit einer epidemieartigen Ausbreitung in den 70er Jahren hat so der Ulmenbestand in Europa stark abgenommen (wsl 2003).
Das Ausbleiben jeglicher Befallssymptome, sowie die arttypisch deutlich ausgeprägten Wurzelanläufe deuten darauf hin, dass es sich um eine Flatter-Ulme und nicht, wie ursprünglich vermutet, um eine Berg-Ulme handelt. Flatter-Ulmen scheinen nämlich resistent gegen das Ulmensterben zu sein. Da die Pflanzung neuer Ulmen jedoch, mit Ausnahme einiger gezüchteter resistenter Sorten, nahezu eingestellt wurde, ist auch diese in den Städten kaum zu finden. Es gibt jedoch Bestrebungen, dies zu ändern, da die Flatter-Ulme durchaus Potenzial für die Zukunft im urbanen Raum hat.
Zugversuch
Damit die Kreuzlinger Ulme noch vielen Kindern Schatten spenden und die Menschen erfreuen kann, wurde an ihr ein Zugversuch durchgeführt. Dabei handelt es sich um die einzige Methode, bei welcher weitestgehend verletzungs- und zweifelsfrei die Stand- und Bruchsicherheit eines solchen Baumriesen festgestellt werden kann (roloff 2023, S. 231). Die Ergebnisse ermöglichen eine gezielte und baumverträgliche Pflege für die kommenden Jahre – und hoffentlich Jahrzehnte – ohne das Umfeld des Baumes zu gefährden.
Bei einem Zugversuch wird die Last der Windeinwirkung bei Orkanstärke simuliert, in dem man mit einem Seil und einer relativ geringen Kraft am Baum zieht (max. 25 % der Orkanlast, siehe Abb. 2). Messgeräte am Stamm (siehe Abb. 3) erfassen dabei die Dehnung der Holzfasern (Bruchsicherheit) und Geräte am Stammfuss den Neigungswinkel (Standsicherheit). Diese Messwerte werden anschließend auf die Belastung bei Orkanstärke hochgerechnet.
Ergebnisse
Der Zugversuch wurde in Zusammenarbeit mit der Firma Arborica durchgeführt, welche die Messergebnisse ausgewertet hat. Massgeblich ist dabei ein Sicherheitsfaktor von 150 %, wobei 100 % der Krafteinwirkung bei Orkanstärke entspricht.
Die Ulme weist an der schwächsten Stelle eine Sicherheitsreserve von 192 % bei der Bruchsicherheit auf. Das bedeutet, sie würde fast der doppelten Krafteinwirkung eines Orkans standhalten. Es besteht daher kein akuter Handlungsbedarf. Trotz des hohlen Stammfusses hat sich die Ulme also erfolgreich statisch abgesichert. Für die kommenden Jahre reicht daher eine normale Kronenpflege aus. Um die Entwicklung der statischen Reserve zu verfolgen, sollte der Zugversuch in einigen Jahren wiederholt werden.
roloff, a. (20123): Baumpflege. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer. ISBN 978-3-8186-2041-7
wsl (2003): Ulmenwelke. Biologie, Vorbeugung und Gegenmassnahmen
Anthostoma decipiens – Ein alter Bekannter mit einem neuen Gesicht
Im August 2024 wurde bei einer regulären Baumkontrolle durch die Baumart AG an einer Hainbuche ein Pilz entdeckt, welcher in der Branche aktuell heiss diskutiert wird: Anthostoma decipiens – der Auslöser des Anthostoma-Hainbuchensterbens.
Verbreitung
Eigentlich als robust und klimaresistent geltend, war die Hainbuche (Carpinus betulus) lange einer der Hoffnungsträger unter den heimischen Baumarten im urbanen Raum hinsichtlich des Klimawandels. Seit einigen Jahren ist nun aber auch bei uns erkennbar, was in anderen Ländern bereits länger der Fall ist; viele Hainbuchen weisen teils starke Vitalitätseinbussen bis hin zum Absterben auf. Während sich die Fälle in Mitteleuropa seit 2015 häufen (vgl. antoni 2024; cech 2019) wird die Erkrankung sowie deren Auslöser in Italien bereits seit den 2000er Jahren erforscht (vgl. rocchi et al. 2010). Zur Verbreitung und Schäden in der Schweiz ist noch wenig bekannt.
Als Totholzzersetzer ist der Pilz in Europa bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Laboruntersuchungen weisen darauf hin, dass in den 90-er Jahren ein Wechsel hin zur Pathogenität erfolgte (vgl. antoni 2024; jki 2018). Ob dies alleine das plötzliche Schadenspotential erklärt oder der zunehmende Trockenstress der Wirte eine entscheidende Rolle spielt, kann noch nicht abschliessend geklärt werden (vgl. brühwiler 2021). Wahrscheinlich ist aber, dass beide Faktoren von entscheidender Bedeutung sind.
Symptomatik
Auffällig ist vor allem die Nebenfruchtform Cytospora decipiens, welche auch im vorliegenden Fall entdeckt wurde (siehe Abb. 1). Bereits im frühen Befallsstadium können aus noch intakt scheinenden Rindenpartien orange-leuchtende Tröpfchen drücken, welche durch Regen abgewaschen werden und sich so weiter verbreiten können (vgl. cech 2019). Im weiteren Verlauf sterben weiträumig Rindenpartien ab, die Bildung von Wundkallus ist oft nur schwach ausgeprägt. Die befallenen Rindenbereiche werden häufig nekrotisch und unter der Rinde werden die Fruchtkörper der Hauptfruchtform, eine ausgeprägte schwärzliche Schicht, ersichtlich (siehe Abb. 2) (vgl. cech 2019). Die Krone zeigt häufig einen deutlichen Vitalitätsabfall auf.
Handlungsempfehlungen & Ausblick
Noch konnten keine offiziellen Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, da der Erfahrungsschatz über die Ausbreitung und die genauen Infektionswege des Erregers schlichtweg zu gering ist (vgl. antoni 2024). Die bisherigen Erkenntnisse legen aber nahe, dass eine optimale Versorgung der Hainbuchen und die Vermeidung jeglicher Wunden den Befallsdruck mindern können. In Bezug auf die Baumpflege und -kontrolle sollte bei Verdachtsfällen der Kontrollzeitraum verkürzt werden. Dies vor allem aufgrund einer möglichen Beeinträchtigung der Bruchsicherheit befallener Bäume (vgl. antoni 2024). Dies bedeutet leider aber auch, dass die Hainbuche zukünftig nur noch an gut versorgten Standorten gepflanzt werden sollte.
Im vorliegenden Fall musste die Hainbuche entfernt werden, da sie neben einer deutlich abnehmenden Vitalität und dem besprochenen Befall am Stamm, auch eine ausgeprägte Fäule auf der Zugseite des Stammfusses aufwies.
Quellen:
antoni, D. (2024). Neuartiger Pilz an Hainbuche. In: TASPO Baumzeitung. (3).
brühwiler, V. (2021): Neue Erkenntnisse zu Anthostoma decipiens und seiner Rolle als Pathogen der Hagebuche[Masterarbeit]. Zürich: ETH
cech, T. L. (2018): Rindenläsionen am Stamm von Hainbuchen, assoziiert mit Anthostoma decipiens. In: Forstschutz Aktuell. (65), S. 45 – 50.
jki (2018): Express-PRA zu Anthostoma decipiens.
muser, M. und N. burgdorf (2022): Neue Pilzerkrankung an Hainbuche. In: AFZ – Der Wald. (8). S. 44 – 47.
rocchi, F., S. quaroni, P. sardi, M. saracchi (2010): Studies on Anthostoma decipiens involved in Carpinus betulus decline. In: Journal of Plant Pathology. (3), S. 637 – 644.
Abb. 1: Eigene Aufnahme
Abb. 2: amadej trnkoczy (amadej), Anthostoma_decipiens_76797, CC BY-SA 3.0
Frischer Zuwachs im Team: Reto Lott
Wer ich bin?
Von 2016 bis 2019 habe ich die Ausbildung zum Forstwart EFZ bei der Pro Forst Kreuzlingen absolviert. Anschliessend hatte ich das Verlangen, noch einen Beruf auf der Baustelle zu lernen. Deshalb habe ich mich für eine zweijährige Zusatzausbildung zum Sanitärinstallateur EFZ entschieden. Nach der Zusatzausbildung habe ich meinen Zivildienst an der Heilpädagogischen Schule in Mauren geleistet. Das Arbeiten an einer Schule hat mir so gefallen, dass ich mich noch für ein Praktikum an einer Regelschule entschieden habe. Nach dem Praktikum bin ich dann zur Baumart AG gestossen. Meine Freizeit verbringe ich gerne in verschiedenen Skateparks auf dem Skateboard. Dazu bin ich seit 2006 in der Pfadi Kreuzlingen. Mittlerweile bin ich als Abteilungsleiter für die Pfadi Sturmvogel Kreuzlingen tätig und übernehme verschiedene Aufgaben wie z.B. koordinieren von Anlässen oder das Leitungsteam führen und mit ihnen kommunizieren.
Warum die Ausbildung zum Baumpflegespezialisten?
Nachdem ich in den letzten Jahren in verschiedene Berufsbranchen hineinsehen konnte, habe ich gelernt, was mich am meisten inspiriert. Während der Forstwartlehre habe ich einen einwöchigen Kurs für das Baumklettern besucht. Da habe ich bereits ein gewisses Interesse zur Baumpflege feststellen können. Mich motiviert und fasziniert es, Bäume in der ganzen Ostschweiz zu pflegen und so die Sicherheit in den Parkanlagen zu gewährleisten. Dazu arbeite ich gerne körperlich und in der Natur. Dies sind natürlich beste Voraussetzungen für eine Ausbildung zum Baumpflegespezialisten.
Warum ich die Baumart AG gewählt habe?
Nach einem Vorstellungsgespräch konnte ich mir in der Form einer Schnupperwoche einen Einblick von der Firma verschaffen. Das Fachwissen der einzelnen Mitarbeiter hat mich überzeugt. Dazu ist der Wille, das Wissen weiterzugeben spürbar. Vor allem hat mich die Teamarbeit überzeugt, was für mich einen hohen Stellenwert hat. Das Streben nach einem möglichst fachgerechten Umgang mit den Bäumen hat mich endgültig dazu bewogen, die Ausbildung zum Baumpflegespezialisten bei der Baumart AG zu absolvieren.
Baumdiagnose: Ein Praxisbeispiel
Eine Silber-Linde (Tilia tomentosa), welche seit längerer Zeit durch die Baumart AG gepflegt wurde, wies bereits seit einigen Jahren zunehmende Schädigungen im Stamm- und Stammfussbereich auf (siehe Abb. 1). Im Winter 2024 zeigten sich am Stamm Fruchtkörper des Austernseitlings (Pleurotus ostreatus) und am Stammfuss des Brandkrustenpilzes (Kretzschmaria deusta, siehe Abb. 2). Silber-Linden gehören zu den eher schwach abschottenden Lindenarten und zusätzlich gilt der Brandkrustenpilz gerade an Linden als aggressiv. Da er folglich das Holz im Wurzel- und Stammfussbereich effizient zersetzten kann, ist die Standsicherheit seiner Wirte schnell heruntergesetzt.
Um die Stand- und Bruchsicherheit des Baumes genauer beurteilen zu können, wurden mehrere Bohrwiderstandsmessungen vorgenommen. Dabei wird eine feine Bohrnadel in den Holzkörper getrieben, welche den Widerstand des Holzes misst, womit dessen Festigkeit eingeschätzt werden kann. Bei fachgerechter Anwendung dieser Methode wird dem Baum kein unvertretbarer Schaden zugefügt (Roloff 2023, S. 232).
Die Messung im Stammfussbereich (ca. 20 cm oberhalb vom roten Pfeil in Abb. 3) wies keinerlei Restwandstärke auf und liess auf einen hohen Zersetzungsgrad schliessen (siehe Messdaten Abb. 4). Unter Berücksichtigung weiterer Faktoren, empfahl die Baumart AG daher die Fällung des Baumes.
Abb. 4
Das Bild nach der Fällung zeigt eine intensive Moderfäule (siehe Abb. 3 & 5). Gut erkennbar sind die typischen Demarkationslinien (schwarze „Fäden“) im Holz, mit denen der Brandkrustenpilz neue Holzbereiche erschliesst, sowie die hellbraune Reaktionszone im Randbereich der Fäule, mit welcher der Baum, mittels Einlagerung pilzwidriger Substanzen, die Fäule einzugrenzen versucht.
Zwar weist der Stamm ausserhalb dieser Reaktionszone auch noch gesunde Holzbereiche auf, diese sind jedoch kaum noch ausreichend und es ist klar ersichtlich, dass diese eher schlecht abgeschottet sind; bei einer guten Abschottung wäre die Reaktionszone schlanker und gradliniger ausgebildet und entwickelt sich bei einer radialen Ausbreitung der Fäule mehr oder weniger entlang der Jahrringe. Der Pilz hätte die gesunden Holzbereiche deshalb wohl ebenfalls zeitnah zersetzt. Zudem hat die Fäule bereits an zwei Stellen das Kambium und die Rinde erreicht. Der Baum ist daher nicht mehr in der Lage, diesen Schaden einzukapseln (Dujesiefken & Liese 2022, S. 64). Die Entnahme der Linde war folglich die richtige Entscheidung.
Abb. 5
Roloff, A. (2013): Baumpflege. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer. ISBN 978-3-8186-2041-7
Dujesiefken, D. und Liese, W. (2022): Das CODIT-Prinzip: Baumbiologie und Baumpflege. Braunschweig: Haymarket Media. ISBN 978-3-87815-278-1
Baumdiagnose: Ein Praxisbeispiel
Aufgrund von Schadsymptomen wurden mehrere Säulen-Pappeln (Populus nigra ‚Italica‘) in einem ostschweizer Park eingehend untersucht. Das folgende Exemplar wies einen offenen Stammfuss auf, der Holzkörper augenscheinlich weitestgehend zersetzt. Um die Bruchsicherheit des Baumes genauer einschätzen zu können, wurden mehrere Bohrwiderstandsmessungen vorgenommen. Dabei wird eine feine Bohrnadel in den Holzkörper getrieben, welche den Widerstand des Holzes misst, womit dessen Festigkeit eingeschätzt werden kann. Bei fachgerechter Anwendung dieser Methode wird dem Baum kein unvertretbarer Schaden zugefügt (roloff 2023, S. 232).
Die Messungen ergaben Restwandstärken von rund zwei bis acht Zentimeter (siehe Messdaten). Bei einem Baum mit diesen Ausmassen ist jedoch eine minimale Wandstärke von ungefähr 10 bis 15 cm erforderlich. Unter Berücksichtigung weiterer Faktoren, empfahl die Baumart AG daher die Fällung des Baumes.
Das Foto nach der Fällung zeigt einen sehr regelmässigen und intensiven Holzabbau. Nur die neusten Jahrringe sind intakt, was auch die gute Vitalität des Baumes erklärt. Angesichts des windexponierten und viel begangenen Standortes war die Fällung folglich die richtige Massnahme, um die Sicherheit im Park zu gewährleisten.
roloff, a. (2013): Baumpflege. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer. ISBN 978-3-8186-2041-7